Jugendweihe - Geschichte

Entstehung Jugendweihe

Die Jugendweihe entstand im vorletztem Jahrhundert als Antwort von Freidenkern, Freireligiösen (heute Freie Humanisten) und der Arbeiterbewegung auf die kirchliche Konfirmation. 1890 feierten konfessionslose Hamburger Familien zum ersten Mal eine weltliche Jugendfeier. Sie grenzten sich damit von den Dogmen der Kirche ab, die für ihre Unterdrückung mitverantwortlich waren.

Mit der Spaltung der Arbeiterbewegung durchlief die Jugendweihe in der Folgezeit alle Strömungen, Höhen und Tiefen. Sie wurde vor 1933 in Hamburg von vielen unterschiedlichen Organisationen und Parteien angeboten. Erreicht wurden damit fast die Hälfte aller SchulabgängerInnen. In der Zeit der Nazidiktatur war diese Jugendweihe verboten. Mit faschistischen Inhalten umgemünzt, haben die Nazis die Jugendweihe für ihre Zwecke missbraucht.

Nach der Befreiung 1945 einigten sich alle, nur noch gemeinsam die Jugendweihe anzubieten. Die Arbeitsgemeinschaft Jugendweihe wurde gegründet. Der anfängliche Zulauf hat sich seit den sechziger Jahren kontinuierlich verringert. Erst in den letzten Jahren steigen die Zahlen wieder langsam an. An den Kursen und Jugendfeiern haben dennoch bisher seit 1945 über 70.000 Jugendliche teilgenommen. Die Jugendweihe hat also einen kleinen, aber festen Platz im öffentlichen Leben unserer Stadt.

In seinem Grußwort zur Feier 100 Jahre Jugendweihe in Hamburg schrieb Dr. Henning Voscherau:

 

„Vor 100 Jahren fand am 24. März 1890 für 23 schulentlassene Jugendliche die erste öffentliche Jugendweihe in Hamburg statt. ... Die Jugendweihe, entstanden auf Initiative von Freidenkern und Freireligiösen als Gegenstück zur kirchlichen Konfirmation oder Kommunion, und die Kulturbestrebungen der Hamburger Arbeiterschaft haben gemeinsame Wurzeln: beide wehrten sich gegen die staatliche Obrigkeit des 19. Jahrhunderts. Der Kampf um Jugendweihe und die Vorbereitungskurse entsprangen dem Aufbegehren gegen die rechtliche und soziale Benachteiligung weiter Bevölkerungskreise. So ist das Ringen um die Durchsetzung der Jugendweihe auch ein Stück Geschichte der Demokratiebewegung. ...“

 

 

 


Ethik ohne Gott (Religion) - geht das Überhaupt?

Was ist Ethik eigentlich? Ethik sei der Teil der Philosophie, der sich mit dem Sittlichen beschäftigt, können wir in einem Lexikon lesen. Gegenstand der Ethik sind also die menschlichen Handlungen, alles was wir tun oder nicht tun. Wir können nicht nicht handeln. Denn auch Nichthandeln ist Handeln, erfordert unsere Entscheidung, nichts zu tun, und liegt in unserer Verantwortung.

 

Erste ethische Betrachtungen finden wir in der Antike bei Sokrates und Platon. Aristoteles entwickelte sie zu einer eigenen Wissenschaft. Gedanken der antiken griechischen Philosophen wurden im Christentum übernommen. Zu einer systematischen christlichen Ethik kam es aber erst im Mittelalter durch vor allem Thomas von Aquin.

Ethik ist also ein Teilbereich der Philosophie und bedeutet, ins Deutsche übertragen, die Lehre vom richtigen Handeln. Hiermit sind aber keine Rezepte oder konkrete Handlungsanleitungen gemeint.

Sicherlich haben sich schon sehr früh in der Entwicklungsgeschichte Menschen Gedanken gemacht über die Auswirkungen ihrer Handlungen. Es entstanden Verhaltensregeln und Gesetze. Es wurden Tabus aufgestellt, um Schaden von der Gruppe abzuwehren, welcher entstehen würde, so der Glaube dieser Menschen, wenn bestimmte Handlungen getan oder unterlassen würden. So entstanden Religionen, die wiederum eng verknüpft waren mit der jeweiligen Gesellschaftsform. So lassen sich in der Schöpfungsgeschichte der Bibel z. B. noch Reste einer matriarchalischen Gesellschaft herauslesen.

Immanuel Kant hat im hohen Alter, rückschauend auf sein Lebenswerk, in einem Brief gesagt, dass seine Arbeit auf die Beantwortung von drei Fragen hinausgelaufen sei: Was können wir wissen? Was sollen wir tun? Was dürfen wir glauben?

Dabei betrifft die Frage, Was sollen wir tun? genau die Ethik. Beantwortet hat sie Immanuel Kant mit seinem kategorischen Imperativ:

"Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."

Ethik und Philosophie im Allgemeinen sind in der Geschichte häufig eng mit Religionen verbunden. Manche Menschen sehen dies auch heute noch so, lehnen eine nicht religiös begründete Ethik ab, verweigern ihr sogar eine Existenzberechtigung. Eine Ethik, wie ich sie verstehe, kann keine dogmatische Begründung haben, wenn sie denn ihren Namen zurecht trägt.

Interessant ist, dass es in allen Kulturen schon immer auch religiöse Zweifler und sogar auch Gegner religiöser Vorstellungen gegeben hat.

Im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entstand in Indien der Materialismus der Charvakas. Von Brihaspati, dem bekanntesten Vertreter dieser Richtung, ist folgende Äußerung überliefert:

"Nichts andres sind die Spenden an die Ahnen, als ein Erwerbsquell unserer Brahmanen, die die drei Vedas ersonnen haben, Nachtschleicher sind es, Schurken, Possenreißer ..."

Und noch direkter sagt der Brihaspati:

"Schlürfe Fett und mache Schulden, Lebe froh die kurze Frist, wo das Leben dir gegeben, musst du erst den Tod erdulden, Wiederkommen nimmer ist ..."

Diese Lehren konnten sich allerdings nicht durchsetzen, was aus ethischer Sicht sicherlich auch leicht verständlich ist. Würden alle Menschen der genannten Philosophie folgen, gäbe es keinen Menschen mehr, bei dem sich Schulden machen ließen. Jedoch wurden diese Philosophen durch ihre vernichtende Kritik an den Brahma ungewollt zu Wegbereitern anderer neuer Religionen.

Konfuzius sei hier noch erwähnt, den ich als Agnostiker bezeichnen möchte. Er sagte einmal: 

"Wenn wir noch nicht einmal wissen, wie wir den Menschen dienen sollen, wie können wir wissen, wie wir den Geistern dienen? Wenn wir nichts über das Leben wissen, wie können wir etwas über den Tod wissen?"

Konfuzius stellte eine goldene Regel des menschlichen Verhaltens auf:

"Was du selbst nicht wünschst, tu nicht den andern!"

Dies leitet über zu dem Ältesten uns bekannten griechischen Philosophen, Thales von Milet, der auf die Frage, wie man vollkommen tugendhaft leben könne, geantwortet hat:

"Indem wir niemals das tun, was wir an anderen verurteilen."

 

Schon der Renaissance zuzurechnen ist Nicolaus Cusanus (1401-1464), der als Pantheist zukunftsweisende Gedanken aussprach, z. B. die Erde nicht als Mittelpunkt des Universums ansah und ein Wissen um unser Nichtwissen formulierte, wie es Sokrates auch hatte und wie es am Anfang - und vielleicht am Ende - aller wahren Philosophie steht.

Giordano Bruno, der das Universum als unendlich ansah, erging es sehr schlecht. Am 17. Februar 1600 wurde er in Rom lebendig verbrannt. Er hatte das Dogmengebäude der Kirche zu sehr erschüttert. Wie wir wissen, wurden im Namen der Kirche und des einzig wahren Glaubens noch hunderttausende weitere Menschen bestialisch ermordet, allein etwa 200.000 durch die Hexenprozesse. Und das nur, weil sie nicht den Dogmen der Kirche folgen wollten oder einfach nur in die Hände der Inquisition gefallen waren. Aber das ist ein anderes Thema.

1696 wurde das erste Buch des irischen Philosophen John Toland, welches schon den Begriff   "Freidenker"  verwendete, nach einem Beschluss des Parlaments in Dublin verbrannt. Spätestensseit 1713 in London die "Abhandlung über Freidenken und Freidenkertum" von Anthony Collins erschien, wurde der Begriff "Freidenker" allgemein gebräuchlich.

Auch die die Französische Revolution von 1789 tragenden Ideale Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind grundlegende Prinzipien einer materialistischen, eben nicht religiösen Ethik.

Als letzten möchte ich noch Ludwig Feuerbach nennen. Er starb vor 125 Jahren, am 13. September 1872. Er sagte einmal:

"Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Tue das Gute um der Menschen willen."

Nach diesen einleitenden, mehr historischen Vorbemerkungen möchte ich auf den eigentlichen Gegenstand meiner Betrachtungen kommen. Ein ganz grundlegender Begriff im Zusammenhang mit Ethik ist für mich die Freiheit. Wir sind nicht frei auszuwählen, was uns passiert, aber frei, auf diese oder jene Weise zu reagieren. Frei zu sein, etwas zu versuchen, hat sicherlich nichts damit zu tun, es auch ganz sicher zu erreichen. Und weil wir denken und wählen können, können wir uns irren. Hier kommen wir also zurück auf die Frage von Immanuel Kant:  Was sollen wir tun?

Handlungen, die auf Grund von Befehlen, Gewohnheiten oder Launen erfolgen, sind sicherlich nicht ethisch begründet. Um zu wissen, ob etwas für mich angemessen ist oder nicht, muss Ich das, was ich tue, genauer untersuchen und über mich selber nachdenken.

Octavio Paz schreibt in La otra voz:

"Die Freiheit ist keine Philosophie und nicht einmal eine Idee: Sie ist eine Regung des Bewustsseins, die uns in bestimmten Momenten dazu bringt, zwei Wörter auszusprechen - "ja" oder "nein". In dieser Kürze eines Augenblicks, wie im Lichte eines Blitzes, spiegelt sich das Gegensätzliche der menschlichen Natur."

Wer nur vor der Strafe flieht und die Belohnung sucht, die andere verteilen nach von ihnen aufgestellten Normen, ist nicht besser als ein armer Sklave. Dies gilt insbesondere natürlich für religiös bestimmte Dogmen wie die Strafe der Todsünde und die Belohnung durch das ewige Leben für vermeintliches Wohlverhalten gegenüber den von der Kirche aufgestellten Dogmen. Weder Befehle noch Gewohnheiten oder gar Launen können uns als Richtschnur für die Ethik dienen.

Es kann uns kein Mensch sagen, wie ich handeln muss, um gut zu sein! Jean-Paul Sartre sagte einmal in diesem Zusammenhang:

" Wir sind zur Freiheit verdammt."

Aristoteles sagt in seiner Nikomachischen Ethik:

"Also steht die Tugend und ebenso auch das Laster in unserer Gewalt. Denn wo das Tun in unserer Gewalt ist, da ist auch das Lassen, und wo das Nein auch das Ja. Wenn also das Tun des Guten in unserer Gewalt steht, dann auch das Unterlassen des Bösen; und wenn das Unterlassen des Guten in unserer Gewalt steht, dann auch das Tun des Bösen."

 

Ich stehe aber nicht allein in der Welt. Die Humanisierung, das was uns zu Menschen macht, ist ein wechselseitiger Prozess. Damit die anderen mich zu einem Menschen machen können, muss ich sie ebenfalls zu Menschen machen! Wenn ich Menschen wie Menschen behandle und nicht wie Gegenstände, mache ich es möglich, dass sie mir zurückgeben, was nur eine Person einer anderen geben kann. Was gehört denn nun dazu, Menschen wie Menschen behandeln zu können?

Wissen, dass nicht alles egal ist, weil wir wirklich leben wollen und außerdem gut leben, menschlich gut leben wollen. Aufpassen, ob das, was wir tun, mit dem überein stimmt, was wir wirklich wollen - oder nicht. Einen guten moralischen Geschmack entwickeln, lernen, dass es bestimmte Dinge gibt, die wir spontan ablehnen (Z. B., dass es einen ekelt zu lügen, wie es normalerweise ekelt, in die Suppenschüssel zu pinkeln, aus der wir uns im nächsten Moment bedienen wollen). Keine Ausreden suchen, die verbergen, dass wir frei und daher vernünftigerweise für die Folgen unserer Handlungen verantwortlich sind.

Es gibt keine schlimmere Strafe, als sich bewusst zu sein, dass man mit seinen Handlungen das boykottiert, was man in Wirklichkeit sein will. Wir nennen es auch "schlechtes Gewissen". Wer gut leben will, muss einer mitfühlenden Gerechtigkeit fähig sein, eines gerechten Mitgefühls. Montesquieu schreibt in Vom glücklichen und weisen Leben:

"Wenn mir etwas bekannt wäre, das mir nützen, meiner Familie aber schaden würde, so verbannte ich es aus meinen Gedanken. Wenn mir etwas bekannt würe, das meiner Familie, aber nicht meinem Vaterlande nützen würde, so würde ich es vergessen wollen. Wenn mir etwas bekannt wäre, das meinem Vaterland nützen, Europa aber schaden würde, so sähe ich das Betreffende wie ein Verbrechen an, weil ich notwendig Mensch bin und Franzose nur durch Zufall."

Das Höchste aber, was wir überhaupt erreichen können, ist Freude. Sie ist unsere größte Belohnung.

Ethik ist also unsere Freiheit, gut, dass heißt für mich, menschlich zu leben. Ich lebe aber, wie schon gesagt, nicht allein. So seien mir auch noch ein paar Worte zur Gemeinschaft der Menschen erlaubt. Wie soll vom ethischen Standpunkt aus, das bevorzugte politische System beschaffen sein, für das es sich lohnt Anstrengungen auf sich zu nehmen und es zu verteidigen?

Sicherlich wird es die Freiheit aufs Höchste respektieren müssen oder umgekehrt, am wenigsten beschränken. Die Freiheit, sich zu versammeln oder von anderen abzusondern; die Freiheit der Meinungsäußerung und der Kunst und Wissenschaft; die Freiheit der Arbeit gemäß der eigenen Berufung oder Interessen; die Freiheit der Beteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten; die Freiheit, sich an einem Ort niederzulassen; die Freiheit der Wahl der Genüsse für Leib und Seele.

Natürlich wird ein politisches System, das der Freiheit die gebotene Bedeutung zugesteht, auch auf der sozialen Verantwortung für die Handlungen und Unterlassungen jedes Einzelnen bestehen. Es kann kein anständiges politisches System geben, das nicht bestrebt ist, durch Gesetze und Institutionen die Gerechtigkeit unter den Mitgliedern der Gesellschaft zu fördern. Die Beschränkung der Freiheit des Einzelnen darf nur aus einem einzigen Grund erfolgen: zu verhindern - sogar mit Gewalt, wenn es nicht anders geht -, dass sie ihre Mitmenschen so behandeln, als wären sie keine.

Die Bedingung, dass jeder Mensch verlangen kann, wie ein Mitmensch der anderen behandelt zu werden, ohne Rücksicht auf sein Geschlecht, seine Hautfarbe, seine Ideen oder seinen Geschmack, nennt man Würde. Jeder Mensch besitzt Würde, er ist unbezahlbar, kann nicht ersetzt werden und man darf ihn auch nicht schlecht behandeln, um einen anderen zu begünstigen.

Eine wünschenswerte politische Gemeinschaft muss im Rahmen des Möglichen die gemeinschaftlich Fürsorge für die Leidenden und die Hilfe für die garantieren, die sich aus irgendeinem Grund weniger selbst helfen können. Das Problem hierbei ist, dass diese Fürsorge nicht auf Kosten der Freiheit und der Würde der Person gehen darf.

Wer für sich selbst in Übereinstimmung mit der Ethik das gute Leben wünscht, muss auch wünschen, dass die politische Gemeinschaft der Menschen auf Freiheit, Gerechtigkeit und Fürsorge beruht. Macht Ethik (Moral) aber überhaupt noch Sinn?

Es spricht wenig dafür, dass der Mensch noch zur Vernunft, geschweige denn zur Moral, zum ethisch begründeten Handeln käme. Wozu dann noch irgendwelche individuelle Bemühungen, etwas zu lindern, zu bessern, zu retten?

Auch wenn wir nicht die Menschheit retten, so können wir doch sehr wohl einzelnen Menschen helfen, glücklich oder zumindest weniger unglücklich zu sein, einschließlich unserer eigenen Person.

 

Leiden lindern und Glück fördern, dies sind Werte an sich. Letztlich vielleicht die einzigen Werte überhaupt.